Liverpool sehen und sterben Geburtstagsgeschenke sind schon eine tolle Sache, vor allem wenn man gleich zwei runde Geburtstage mit einmal abhacken kann. Der Vater wird 50, der Sohn 30, also was kann man denen schenken? Klar! BVB Karten! Aber nicht normale. Es soll doch schon etwas Besonderes werden. Also kurz drüber nachgedacht, was etwas Außergewöhnliches sein kann. Spielt der BVB nicht in der Vorbereitung gegen Liverpool? Kurz geprüft, noch kürzer drüber nachgedacht und für gut befunden. Denn wie es nun einmal so ist, jeder hat ja doch eine Mannschaft, die er in der Premier League gut findet. Und bei meinem Vater ist das seit gefühlt 80 Jahren Liverpool. Da spielt ja schließlich auch seit gefühlten 79 Jahren Steven Gerrad. Und wenn das kein Idol ist, wer denn sonst? Nun, leichter geschenkt als gebucht. Mit Unterstützung der Ostborussen konnten wir uns schnell die Karten sichern, die Flüge und Hotels waren dann natürlich auch kein Problem mehr. Also war irgendwann nur noch warten auf den 09.08. angesagt. Denn wenn dann schauen wir uns gleich die Stadt an. Samstag früh ging es Richtung Berlin. Dort verrichtet Tegel immer noch die Hauptlast an Flügen, auch wenn schon überall die BER Absperrungen stehen. Die Flugangst wich der Vorfreude und der niederländische Akzent brachte gute Laune in den trüben Tag. nach kurzem Zwischenstopp in Amsterdam ging es dann auch gleich nach Manchester weiter. Von dort aus dann mit dem Zug nach Liverpool. Die Züge waren auf jeden Fall noch nicht an die neue Energiesparverordnung angepasst und die Bestuhlung war, sagen wir mal, nicht ganz Mangelfrei. Angekommen am Ziel überraschte uns das gute Wetter, damit war in England auch nicht wirklich zu rechnen. Wir versuchten unsere Freude zu verbergen, man will ja schließlich nichts beschreien. Vom Bahnhof aus machten wir uns Richtung Hotel auf, welches wir nach kurzer Orientierungsphase erst per pedes und dann mit Hilfe eines netten englischen Busfahrers erreichten. Die Freude über die Ankunft wurde dann doch ein wenig vom Zustand des Hauses und später der Zimmer und der Waschhalle getrübt. Also schnell wieder raus und was zu essen suchen. Und wie macht man das am Freitag Abend? Man geht einfach mal ins Blaue. Bei uns waren das Blaue die Docks, welche aber leider durch eine große Wand abgetrennt waren und wir daher nichts sehen konnten. Nach einem langen Fußmarsch der Mauer entlang standen wir dann wieder in der City. Hier einen Pub zu finden gestaltete sich jedoch ähnlich schwierig wie die Docks, auch ohne Mauer. Aber auch hier konnten wir wieder auf die Hilfe der Einheimischen vertrauen und fanden zumindest einen Burgerladen inklusive Bar, welche wir zum Ausklang des Abends nutzten. Als wir aufbrachen fing es an zu regnen, unser vorheriges Schweigen über das gute Wetter hatte sich also nicht gelohnt. Auf Grund dessen nahmen wir ein Taxi zurück. Am nächsten Morgen, das Bett hatte sich doch als bequemer herausgestellt als erwartet, begrüßten uns in unserem Hotel auch schon die ersten schottischen Liverpool Fans. Mit denen haben wir kurz noch einmal die letzte WM Revue passieren lassen und die kommende EM (der Geheimfavorit muss anscheinend Schottland sein) schon einmal besprochen. Mit Blick aus dem Fenster war uns dann klar: Das Wetter ist heute very british - es regnete wie aus Eimern. Wir nutzten einen Moment aus, in dem es nur nieselte und begaben uns auf den Weg zur Anfield Road. Der Weg war natürlich gesäumt von Roten und Gelben Menschen. So das wir kein Problem hatten das Stadion zu finden. Die Vorfreude wuchs in Unermessliche. Vorher sollte jedoch noch das typisch englische Fish and Chips verdrückt, die Schals und Anstecker für das Spiel gekauft und das Stadionheft besorgt werden. Man muss ja vorbereitet sein. Wir beschauten interessiert das Stadion von außen und konnten es immer noch nicht so richtig greifen das wir da waren. Irgendwann machten wir uns dann auf den Weg hinein. Durch die sehr beklemmenden Drehkreuze ging es zum Bierstand. Bier aus Plastikflaschen, okay, aber dann darf man die nichtmal mit ins Stadion nehmen. Nun, man bringt viele Opfer und so musste das Getränk dann doch schneller geleert werden als befürchtet. Auf den Plätzen angekommen konnten wir dann einmal in Ruhe die Ränge anschauen. Schon schön! Klar gibt es schönere Stadion, jeder wird mindestens eins nennen können, aber es ist dann doch immer noch was Besonderes wenn ein Kindheitstraum in Erfüllung geht. Beide Mannschaften machten sich dann bereit und es herrschte eine lockere Atmosphäre. Als dann das von vielen erwartete Lied von Gerry & The Pacemakers angespielt wurde stimmte das ganze Stadion und gefühlt die ganze Stadt mit ein. Über Gänsehautatmosphäre bei dem unausweichlichen "You'll Never Walk Alone" muss man nichts mehr schreiben: phänomenal! Auch über das Spiel will man eigentlich nichts schreiben, nur kurz: Liverpool war einfach dem BVB ein paar Wochen Voraus, der Borussia hat der letzte Wille gefehlt und es wurden leichtsinnige Fehler gemacht. Von der Stimmung auf den Rängen, zumindest der der Heimfans hätten wir mehr erwartet. Bis auf wenige "Liverpool"-Rufe kam nicht viel. Die Dortmunder-Anhänger waren da natürlich etwas lauter und konnten die Hausherren mit ihrer Version von "Yellow Submarine" zum mitmachen animieren. Trotz des Rückstandes und der Einseitigkeit des Spiels war die Stimmung und Atmosphäre gut. Bei der Auswechslung von Steven Gerrad stand das ganze Stadion und applaudierte. Lange Mienen säumten dann den Weg nach draußen und man spekulierte schon von einer Blamage zum Ligapokalspiel. Jetzt wissen wir zum Glück mehr und wahrscheinlich war das Spiel der nötige Schuss vor den Bug. Auf dem Weg zurück brach dann ein Unwetter über uns herein, so dass wir völlig durchnässt im Hotel ankamen und erst einmal den einen oder anderen Aufwärmtee zu uns nahmen. Als sich dann die Sonne kurz zeigte traten wir den Weg zum Bahnhof an, machten allerdings noch einen kurzen Stopp im nahen Pub und trafen noch einige Liverpoolfans, welche uns eher bemitleidend ansahen. Eine schöne Geschichte ereignete sich am Nachbartisch, dort trafen sich wohl Familien aus Dortmund und der britischen Hafenstadt nach 15 Jahren zufällig an der Bushaltestelle auf dem Weg ins Stadion wieder und verbrachten nun den Tag zusammen. Noch ein letzter Blick aus dem Zug und wir verließen Liverpool Richtung Manchester. Dort wartete die lange Heimreise auf uns. Rückblickend ist zu sagen, dass trotz des Ergebnisses, trotz des Wetters und trotz des Hotels wir mehr als zufrieden mit der Reise waren. Warum macht man so etwas eigentlich nicht des Öfteren? Matthias Nestler